Konferenzbericht der DGA-Tagung 2009
Wissenschaftliche Tagung der DGA: Asiens alte und neue Mächte Der Aufstieg Chinas und Indiens und die Folgen für Japan, Europa und die Weltpolitik
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin, 14.-15. Mai 2009
Konferenzbericht von Jan Kellerhof, Julia Krauze und Magnus C. M. Brod, ASIEN 116 (S. 114–117)
Die zweitägige Tagung wurde gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Asienkunde (DGA), der German Asia-Pacific Business Association (OAV) und dem Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB) vom 14. bis 15. Mai in den Räumlichkeiten der Deutschen Bank und des Japanisch Deutschen Zentrums in Berlin ausgerichtet. Zum Auftakt begrüßte der DGA-Vorsitzende MDg a.D. Dr. Hauswedell die anwesenden Gäste im Atrium der Deutschen Bank Filiale Unter den Linden und merkte an, dass der thematische Bezugspunkt der Veranstaltung der Aufstieg Chinas und Indiens insbesondere vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise von herausragender Bedeutung sei. Dieser Aspekt wurde in den folgenden Vorträgen von Jürgen Fritschen (Mitglied des Group Executive Commitee der Deutschen Bank AG) und Jacky Foo (Botschafter, Singapur), der den Beitrag von Tommy Koh (Ambassador-At-Large at the Ministry of Foreign Affairs, Singapore; Chairman of the Institute of Policy Studies and the National Heritage Board) verlas, aufgegriffen und mit Bezug auf Asiens Rolle und Verantwortung bei der weltweiten Krise näher ausgeführt. Die Länder Asiens wurden hier vor allem als chancenreiche Absatzmärkte und Innovationsträger eingestuft und die Wichtigkeit des Abbaus von konventionellen und nichttarifären Handelshemmnissen betont. Der darauf folgende zweite Teil der Tagung in den Räumlichkeiten des Japanisch-Deutschen Zentrums am 15. Mai begann mit drei umfassenden Vorträgen zum Thema der Tagung der wachsenden Bedeutung Chinas und Indiens. Prof. Shinichi Kitaoka von der Tokyo University konzentrierte sich auf das alte und neue China und porträtierte die wachsende Wirtschaftsmacht China als Besorgnis erregenden Faktor für Japan und Taiwan. Im Anschluss machte Dr. Margot Schüller aus einer ökonomischen und politikwissenschaftlichen Perspektive deutlich, dass die Volksrepublik bereits heute dem Status einer ‚Großmacht’ gerecht wird und 2030 Voraussagen zufolge international die größte Wirtschaft sein wird. Trotz hoher globaler Wettbewerbsfähigkeit sei China jedoch nicht als ‚unabhängiger Wachstumspol’ zu sehen, da die chinesische Wirtschaft stark in das internationale Wirtschaftsgefüge integriert ist und sich des Weiteren nicht auf große innovative Kapazitäten stützen kann. Im Hinblick auf das wirtschaftliche Wachstum Indiens wies Dr. Christian Wagner auf einen Umschwung von ‚Human Capital’ zum Hightech Sektor hin und hob den Wandel von einer Import substituierenden hin zu einer Export fördernden Politik hervor. Im Vergleich zu China habe Indien nur ein Zehntel des ausländischen Investitionsvolumens und weise geringere Wachstumsraten auf. Nichtsdestotrotz, so Wagner, herrsche in Indien das Selbstbild einer ‚Großmacht’. Vor dem Hintergrund das ‚size matters’ und der nuklearen Proliferation gäbe es auch objektive Indikatoren für einen indischen Großmachtstatus. In der anschließenden Diskussion kam unter anderem das Potential der beiden Staaten bezüglich ihrer großen Auslands-Communities in Form einer Transnationalisierung von kultureller Macht zu Gespräch. Hier hob Dr. Wagner insbesondere die Adaption der chinesischen Diaspora-Strategie durch Indien hervor. Beide Staaten stellen das internationale System in Zugzwang, da es ihre wachsende Bedeutung reflektieren muss, um seine Funktionsfähigkeit beizubehalten. Workshop I: Stabilität und Sicherheit In dem von Dr. Gudrun Wacker moderierten Workshop standen die Themen Asiens regionale Sicherheitsarchitektur, Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise und Der Einfluss ökologischer Faktoren auf die Sicherheit in Nordost-Asien im Mittelpunkt. Dr. Martin Wagener erläuterte zu Beginn der Vortragsreihe allgemeine theoretische Ansätzen zur Beschreibung einer regionalen Sicherheitsarchitektur, insbesondere die hegemoniale Stellung der USA in Asien. Laut Wagener spielen die USA im asiatischen Sicherheitsnetzwerk eine facettenreiche Rolle, welche im Moment durch eine Umstrukturierung geprägt sei. Die Regierung Obama scheine ihre unilateralen Neigungen und sicherheitspolitischen Interessen anders ‚ „zu verpacken“ so beschreibt Wagener exemplarisch einen rhetorischen Bruch Hilary Clintons weg von der konstanten Berufung auf „Terrorismus“. Nichtsdestotrotz erscheint es als würde „hinter den Kulissen“ allerdings nach wie vor, unter Rückgriff auf die Koalition der Willigen und Fähigen, die Politik der Regierung Bush vorgesetzt. Im Rahmen dieses Aspekts umschreibt Wagener anhand verschiedener Indikatoren, wie beispielsweise den Verteidigungsausgaben, eine klare Markierung Chinas als peer competitor durch die USA. Der zweite Beitrag des Workshops konzentrierte sich auf eine Bestandsaufnahme der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Herausarbeitung von Implikationen. Während Hanns Günther Hilpert den wirtschaftlichen Abschwung sogar als stärker im Vergleich zur Asienkrise 1997/98 beschrieb, sei das „Leiden“ der verschiedenen Länder Asiens bei der heutigen globalen Krise differenzierter. Neben Fragen der Verantwortung und Ursachen verweist Hilpert unter anderem auf die „symbiotische“ Beziehung der USA und Chinas und eine allgemein starke Abhängigkeit Asiens von den Importmärkten im Westen. Insgesamt vollziehe sich eine Aufwertung Asiens in der globalen Ordnungspolitik und Länder wie China würden ein größeres wirtschaftliches Gewicht erlangen. Es bleibe jedoch auch in Asien eine Phase der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, verursacht durch die Turbulenzen in der globalen Wirtschafts- und Finanzsphäre. Für China beispielsweise stiegen die Risiken innerer Unsicherheiten mit einer zunehmenden Dauer der Krise. Umso wichtiger erschienen die europäischen Absatzmärkte für viele Länder Asiens. Anschließend widmete sich Miranda Schreuers dem Thema der Umweltrisiken und deren Einfluss auf das nord-asiatische Sicherheitssystem. Nach einer Darstellung des massiven Risikopotentials und der Problemstrukturen der Region auf diesem Feld, legte Schreuers den Fokus auf die Rolle des Staates. Es gäbe hier Anzeichen für eine zunehmende regionale Kooperation, welche häufig auch mit der Transnationalität der ökologischen Probleme in Verbindung stehe. Probleme bei der Kooperation seien jedoch nach wie vor das Misstrauen der Länder untereinander, Fragen der finanziellen Trägerschaft, Führungsansprüche und fehlende Implementationsmechanismen. In der den Workshop abschließenden Diskussion, wurden weitere Konfliktpotentiale diskutiert und mögliche Maßnahmen Chinas gegen die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, wie infrastrukturelle Anpassung oder eine Steigerung der privaten Ausgaben, vorgebracht. Als allgemeinen Tenor des Workshops wurde abschließend zusammengefasst, dass in vielen Politikfeldern Kooperation, oder zumindest der Wille dazu, zwar vorhanden sei, es aber noch an der praktischen Umsetzungsfähigkeit mangele. Ein weites Spektrum von Faktoren spiele bei der Beurteilung von Sicherheit und Stabilität in Asien eine Rolle und erschwere Prognosen. Mit Rückbezug auf die Bedeutung dieses Themas für die Europäische Union, scheine die Formel zu stimmen: Je konfliktvoller die asiatische Region desto geringer scheint der Einfluss der Gemeinschaft zu sein. Workshop II: Die neue Systemkonkurrenz – Demokratie vs. Autokratie Die Beiträge zu diesem Workshop sind im Schwerpunktteil dieses Heftes, ergänzt durch weitere Artikel, abgedruckt. Workshop III: Asiens interregionale Beziehungen Einleitend legte Prof. Dr. Claudia Derichs (Universität Marburg) die grundlegende Idee des Panels im Rahmen der Konferenz dar: Beim Fokus auf Indien und China dürften auch die Regionen und Subregionen nicht außer Acht gelassen werden. Das konzeptionelle Grundgerüst des Panels lieferte Prof. Dr. Jürgen Rüland (Universität Freiburg) mit seiner Einführung zum Interregionalismus. Das Thema sei von besonderem Interesse, da es seit den 1990er Jahren eine Proliferation an interregionalen Studien hervorgerufen habe, in seiner Substanz jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Der Vortrag umfasste unter anderem die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Interregionalismus, seinen Einfluss auf die internationale Politik sowie seine Funktionen. Dabei wurde auch die Rolle als Instrument zur Gegenmachtbildung gegenüber möglichen Regionalhegemonen besprochen. Dieses Konzept wurden auch im folgenden Beitrag von Dr. Sebastian Bersick (SWP, Berlin) aufgegriffen, der die interregionalen Beziehungen der EU zu Asien am Beispiel EU-ASEAN und dem ASEM-Prozess darlegte. Darauf bezogen stellte er sicherheitsstrategische Interessen – insbesondere eine Einbindung der VR China in regionale Prozesse – als handlungsleitendes Motiv dieser regionalen Institutionen heraus. Auf einer theoretischen Ebene eröffnete Stefan Rother (ABI, Freiburg) einen neuen Blickwinkel auf die vorangegangene Diskussion: Ausgehend vom anarchischen Charakter des internationalen Systems entwickeln sich innerhalb dessen spezifische Logiken. Auf Regionen angewendet wären dies politische Kulturen, die sich in der intraregionalen Interaktion der staatlichen Akteure konstruieren. Im Bezug auf ASEAN verwies Rother auf ein beginnendes Regionalbewusstsein anhand kooperativer Logiken wie der Politik der Nichteinmischung als dominante Norm. Jan Kellerhof, Julia Krauze und Magnus C. M. Brod