Konferenzbericht der DGA-Tagung 2011
Wissenschaftliche Tagung der DGA: China und die USA in Asien: Konflikt oder Kooperation?
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin, 17. Juni 2011
Konferenzbericht von Malte Drewes, ASIEN 122 (S. 98–101)
Anlässlich ihrer Mitgliederversammlung veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Asienkunde (DGA) zusammen mit dem jdzb, dem German Institute of Global and Area Studies (GIGA) und der German Asia-Pacific Business Association (OAV) ihre alle zwei Jahre stattfindende, eintägige, wissenschaftliche Tagung, die sich dieses Jahr mit dem Thema „China und die USA in Asien: Konflikt oder Kooperation?“ befasste. Nach einer kurzen Begrüßung von Dr. F. Bosse (jdzb), Dr. P. C. Hauswedell (Vorsitzender DGA) sowie T. Prekop (OAV), bei der insbesondere auf die zunehmende Bedeutung der VR China und die sich dadurch verändernden Einflusssphären in Asien hingewiesen wurde, umriss Prof. Dr. E. Sandschneider (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP) das Tagungsthema in einer Key Note. Sandschneider zeichnete ein (selbst)kritisches Bild der Auseinandersetzung mit Asien, bemängelte aber nicht nur den fehlenden Praxisbezug der Asienwissenschaften, sondern ebenfalls die Bildungspolitik der Konzentration auf Kernprofessuren sowie die bildgetriebene Beschäftigung durch die Medien, die sich anhand von Themenkonjunkturen und mangelnder Kompetenz mit diesem Kontinent beschäftigten. Anschließend diskutierte Sandschneider vier mögliche methodische Wege. Man könne sich theoretisch, geschichtlich, gegenwartsbezogen oder auf die Zukunft gerichtet mit Asien beschäftigen. Dabei betonte er, dass unser Asienbild nicht mit dem asiatischen Selbstbild übereinstimme, ein theoretischer Wissenschaftsdiskurs in seiner Bedeutung begrenzt bleibe, man aus der Geschichte zwar lernen könne, aber ebenfalls falsche Schlüsse gezogen würden und vor allem Angst vor dem Aufstieg Chinas im Westen geschürt würde. Außerdem vertrat er die These, dass die transatlantischen Beziehungen seit Jahren schöner geredet würden als sie seien, und er schloss damit, dass das eigentliche Thema beim Aufstieg der Volksrepublik die Reaktion der USA sei und es zur Kernaufgabe der Wissenschaft gehöre kritisch zu bleiben. In der anschließenden Diskussion wurde kontrovers diskutiert, inwiefern der Aufstieg Chinas die internationalen Regelsysteme verändern werde und welche Rolle Europa in der neuen Weltordnung einnehmen könnte.
Im ersten Panel der Tagung diskutierten Dr. J. Braml (DGAP) zusammen mit Dr. D. Schmidt (Universität Trier) und Prof. Dr. D. Nabers (Universität Kiel) unter der Leitung von PD Dr. P. Köllner (GIGA) die Neupositionierung der Großmächte in Asien. Im ersten Vortrag befasste sich Braml mit der neuen Asienpolitik der USA unter dem ersten pazifischen Präsidenten Obama. Insgesamt habe eine Fokusverschiebung von Europa nach Asien stattgefunden und die neuen Wirtschaftsbeziehungen würden zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen, wobei ein Wettbewerb um Absatzmärkte zukünftig die transatlantischen Beziehungen prägen werde. Mit der Politik des Congagement (Kombination aus Containment und Engagement) engagieren sich die USA ökonomisch und versuchen die Volksrepublik militärisch einzudämmen, indem neue Partner wie beispielsweise Indien in Allianzen eingebunden würden und damit eine Lastenabwälzung angestrebt werde. Im Folgenden befasste sich Schmidt mit der Frage nach dem Ende der Charme-Offensive und ob China eine neue Außenpolitik habe. Schmidt konstatierte allerdings, dass sich die Volksrepublik keineswegs von ihren Kerninteressen abgekehrt habe und die Deutung des konfrontativen, anti-westlichen Verhaltens auf falschen Annahmen beruhe und nur auf Tagesereignisse Bezug nehme. Die Außenpolitik sei vielmehr in vier Dimensionen einzuteilen, die er zusammen mit Prof. Dr. S. Heilmann erarbeitet habe. Neben den imperialen Außenbeziehungen zur Etablierung der VR China als Großmacht werde mit Hilfe der Kräfte der Interdependenz das Ziel der Nutzengewinnung aus bilateralen Kooperationen angestrebt. In die unkonventionellen Außenbeziehungen einer Vielzahl lokaler Akteure, greife die Parteizentrale nur dann ein, wenn die Prioritäten der Fünfjahrespläne nicht eingehalten würden. Letztlich gebe es zudem die Guerilla-Außenbeziehungen, die durch Regellosigkeit und keine direkte Kontrolle durch den Staat gekennzeichnet seien. Schmidt schloss damit, dass die Chinaforschung oft wissenschaftlichen Trends hinterher laufe und der autoritäre Charakter des politischen Systems ein Zerrbild der zentralen Steuerung bewirke. Im dritten Vortrag ging Nabers auf die Rolle Japans in Asien ein. Zwar habe Japan lange Zeit nicht die Rolle gespielt, die es hätte spielen können, aber durch viele Initiativen wie das East Asian Summit (EAS) wurde die regionale Integration vorangetrieben. Japan habe neue Handlungsspielräume durch die Beeinflussung der Agenda und die Etablierung neuer Koalitionen erhalten und sei lediglich aktuell durch innenpolitische Katastrophen kurzfristig zur Verlagerung der Prioritäten gezwungen. Thematisch anknüpfend folgte eine Rede des japanischen Botschafters Dr. Shinyo, der ausführlich die Hilfeleistungen aus aller Welt nach den Ereignissen von Fukushima begrüßte um dann die essentielle Bedeutung von demokratischen Werten hervorzuheben, die Japan mit den USA und Europa teile. Shinyo ging ebenfalls auf die nicht ganz unproblematischen Beziehungen zu China ein und schloss mit dem Appell einer weiteren guten Zusammenarbeit mit Europa.
Im zweiten Panel wurden Konfliktherde im asiatisch-pazifischen Raum im Hinblick auf die Rolle der USA und China thematisiert, einer Region in der heute ein Drittel der weltweiten Konflikte ausgetragen werden. Aus persönlichen Gründen musste der Vortrag von Dr. habil. C. Wagner (Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP) zu den Interessen Indiens, Chinas und der USA in Afghanistan leider kurzfristig ausfallen, sodass dieser Panel lediglich aus zwei Präsentationen bestand. Dr. G. Will (SWP) ging in seinem Vortrag auf die Ursachen und Merkmale der Konfliktkonstellation im Südchinesischen Meer ein. Ursächlich seien materielle sowie (sicherheits-) politische Interessen und der Konflikt sei vor allem durch ein asymmetrisches Kräfteverhältnis zwischen China und den Anrainerstaaten, Unklarheiten hinsichtlich der Ansprüche und divergierende Interpretationen der Abkommen wie der United Nations Convention on the Law of the Sea (UNCLOS) gekennzeichnet, was zu schwer kalkulierbaren Konfliktstrategien führe. Mögliche Szenarien könnten die weitere Eskalation durch Aufrüstung, der Fortbestand des Status quo oder eine Lösung durch ein gemeinsames Ressourcenregime sein. Dr. S. Fleischauer (Universität Tübingen) ging auf die neue Entspannungspolitik in der Taiwan-Straße seit 2008 ein und präsentierte vier Szenarien für die weitere Entwicklung. Möglich wäre eine Fortführung des Status quo, d.h. eine ökonomische Interdependenz ohne Auswirkungen auf die politischen Beziehungen, die politische Integration durch weitere Institutionalisierung, die Finnlandisierung Taiwans in Anlehnung an das finnisch-sowjetisch Abkommen, was aber einen Machtverlust des Westens bewirke, oder ein Wiederaufflammen der Konfrontation. In jedem Fall aber wäre der von der Kuomin-tang angestoßene Prozess auch bei einem Regierungswechsel 2012 unumkehrbar.
Am Nachmittag liefen zwei parallele Workshops zu den Themen Neue Entwicklungen in der Sicherheitsarchitektur Asiens sowie der Verdrängung der traditionellen Wirtschaftsakteure USA, Japan und EU als Folge des chinesischen Aufstiegs. Eröffnet wurde der erste Workshop durch Junior-Prof. Dr. M. Wagener (Universität Trier), der über die Aufrüstung der Volksrepublik referierte. Wagener zeichnete das Bild eines unipolaren Ostasiens, das an den Machtmöglichkeiten der USA hänge, konstatierte aber im Folgenden die Gegenmachtbildung durch China, sodass zukünftig entweder der machtpolitische Abstand der USA gehalten, die Hierarchie durch einen militärischen Sprung Chinas umgedreht oder die Macht in Interessenssphären geteilt werden könnte, wobei letzteres schwer umzusetzen sei. Er schloss mit dem Plädoyer, dass es allen zu Gute komme, wenn die Unipolarität aufrechterhalten bliebe, sofern der Hegemon weiterhin wohlwollend agiere. Dr. P. C. Hauswedell thematisierte die strategischen Überlegungen von USA und China in Bezug auf die koreanische Halbinsel. Entscheidend für die Großmächte sei die Konfliktbeherrschung, wobei die Abhängigkeit oftmals überschätzt werde und beide koreanischen Staaten eigendynamisch handelten. Die Denuklearisierungspolitik der USA und die Hilfszahlungen des Südens seien gleichermaßen gescheitert und der Norden habe somit sein Staatsziel erreicht, auf Augenhöhe verhandeln zu können. Die wichtigsten Fragen der Zukunft seien nunmehr der Fortbestand des Regimes und, wie mit einem möglichen Regimezerfall umgegangen würde. Abschließend referierte Dr. G. Wacker (SWP) zur neuen Sicherheitsarchitektur Asiens. Die Region sei geprägt durch bilaterale amerikanische Sicherheitsallianzen, eine Vielzahl sich überlappender, nicht besonders effektiver regionaler Organisationen (Shanghai Cooperation Organisation, ASEAN Regional Forum, G 2, EAS) und einer zunehmend selbstbewusst, aggressiv auftretenden VR China. Wacker schloss mit der Einschätzung, dass das wenig schlagkräftige bilaterale US-amerikanische Sicherheitssystem der Naben und Speichen zukünftig erhalten bleiben werde. Demnach mache die USA als Nabe je nach Bedarf Politik mit wechselnden Partnern wie der EU, Russland, China, Japan oder Indien, den so genannten Speichen.
Der zweite Workshop befasste sich mit der Rolle Chinas in einer zusammenwachsenden asiatischen Wirtschaftsregion (Dr. M. Schüller, GIGA), dem wirtschaftlichen Kräftemessen zwischen den USA und der Volksrepublik (Emrah Camli, OAV) sowie dem Einfluss Japans auf die regionale Integration Asiens (Prof. Dr. V. Blechinger-Talcott, FU Berlin).
Abgerundet wurde die Tagung durch einen Roundtable, in der das Tagungsthema im Hinblick auf die Konsequenzen für Europa diskutiert wurde. Nach Einschätzung des Botschafters Dr. C. Nunn spielten beim asiatischen Kräftemessen nicht nur die genannten Großmächte entscheidende Rollen, sondern eine weitere Vielzahl von Akteuren wie Indien oder Russland. Europa müsse vermehrt Konzessionen eingehen, wodurch insgesamt der Einfluss zurückgehe. Neben der Ausgrenzung aus wichtigen regionalen Organisationen, sei die EU vermehrt darauf angewiesen, lediglich Freihandelsohne gleichzeitige Partnerschaftsabkommen abzuschließen. Im Gegensatz zu dieser kritischen Selbsteinschätzung betonte W. Niedermark (BASF) die globale Wirkungskraft und wirtschaftliche Stärke der EU, die sich keineswegs verstecken brauche, und er schloss mit dem Appell, dass die EU in Zukunft enger zusammenarbeiten und Kompetenzen der Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik nach Brüssel verlagern solle, damit Europa auch weiterhin eine wichtige Rolle in einer sich globalvisierenden Welt spiele. Dr. G. Wacker betonte zum einen, dass die EU kein Sicherheitsakteur in Asien sei, aber gerade das wirtschaftliche Engagement zur Einbeziehung dieser Dimension zwinge, und konstatierte im Weiteren einen Trend zur Renationalisierung. Um diesem Trend entgegenzuwirken schlug Wacker vor, dass diejenigen EU-Staaten mit den konträrsten Positionen eine gemeinsame Linie erarbeiten sollten. Insgesamt wurden in der abschließenden Diskussion die unterschiedlichen Positionen weiter kontrovers diskutiert, wobei immer wieder auf die Schwierigkeit einer einheitlichen Außenund Sicherheitspolitik hingewiesen wurde.
Malte Drewes